Was sagen Sie zu folgender Statutenbestimmung: „Das Ehrenpräsidium ist ein Kollegialorgan, das aus den beiden Gründungsmitgliedern des Vereins und aus einstimmig von diesen in das Ehrenpräsidium einberufenen Personen besteht; es wird auf unbefristete Zeit bestellt. Gültige Beschlüsse des Vorstands und der Generalversammlung kommen nur zu Stande, wenn das Ehrenpräsidium zustimmt.“
Originell, meinen Sie? In der Tat – aber mehr als das: schlicht rechtswidrig. Es ist zwar verständlich, wenn jemand einen Verein zum ausschließlich eigenen Nutzen (und sei es auch „nur“ des eigenen Egos) gründet, weil dies die billigste Form ist, eine juristische Person ins Leben zu rufen. Und es ist auch verständlich, dass dieser Gründer sich nicht den Unsicherheiten der Vereinsdemokratie aussetzen will. Mitglieder sind ein notwendiges Übel, und manchmal muss man sie eben ein bisschen quasseln lassen – aber entscheiden sollen sie nichts bzw.: Wir können Ihnen ja den Spaß lassen, Beschlüsse zu fassen, aber ob diese Beschlüsse irgendeine Wirksamkeit entfalten, entscheiden dann schon wir.
Gesetzwidriges Überorgan?
Aus § 5, Abs. 1 und 2 des Vereinsgesetzes geht eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber will, dass die Mitgliederversammlung das „Organ zur gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder“ ist. So ein Organ einerseits zu installieren und im selben Atemzug wieder zu demontieren, indem man gewissermaßen eine Etage höher ein „Überorgan“ einsetzt, ist mit Sicherheit gesetzwidrig, eine solche Bestimmung daher nichtig. Einem Verein, der solche Statuten hat, sollte man wohl auch nicht beitreten..
Moment, sagen Sie. Ist das wirklich so in Stein gemeißelt? Ist es denn nicht so, dass zum Beispiel ein Hauptverein seinem Zweigverein schon ganz ordentlich dreinreden kann? Stimmt. Das ist wirklich eine Ausnahme, und zwar eine ziemlich wichtige. In der juristischen Dogmatik wird das Thema unter der Überschrift Vereinsautonomie abgehandelt, die laut deutschem Verfassungsgericht in der Wahrung des Charakters des Vereins als eines vornehmlich von der Willensbestimmung und -betätigung seiner Mitglieder getragenen Personenverbandes besteht. Allerdings kann der Verein seine Autonomie auch so ausüben, dass er sein Selbstverwaltungsrecht satzungsmäßig beschränkt, sofern er sich dabei nicht gänzlich selbst aufgibt. Autonomie bedeutet innere Organisationshoheit im Rahmen der Statuten, und Kern dieser Autonomie ist die Selbstbestimmung der Mitglieder über ihre eigenen Organe.
Was zulässig und was unzulässig ist
Und was heißt das jetzt für das Verhältnis Hauptverein–Zweigverein aber auch Verband–Mitgliedsverein? Es steht dem untergeordneten Verein frei, sein Schicksal durch entsprechende korrespondierende Statutenbestimmungen weitgehend vom übergeordneten Hauptverein bzw. Verband abhängig zu machen. Das kann aber nicht bedeuten, dass diese Unterwerfung schrankenlos wäre. Soweit dies sachlich gerechtfertigt ist (da kann es auch auf den Vereinszweck ankommen), kann der übergeordnete Verein den untergeordneten in seiner Bewegungsfreiheit durchaus einschränken. Das Leitungsorgan des letzteren darf allerdings nicht zum ausschließlich fremdbestimmten Ausführungsorgan degenerieren.
Jegliche Bindung des untergeordneten Vereins an den Hauptverein/Verband kann – abgesehen von vertraglichen Bindungen – nur wirksam sein, wenn sie sich (auch) in den Statuten des untergeordneten Vereins findet. Es ist zulässig, Wahlen von Organen an die Zustimmung des übergeordneten Vereins zu binden, es ist zulässig, dass der übergeordnete Verein Personen seiner Wahl in Vereinsorgane entsendet oder für diese nominiert; wie es auch zulässig ist, diesen Personen in bestimmten, sachlich gerechtfertigten Fällen ein Vetorecht bei Beschlüssen einzuräumen. Eine direkte Bestimmung von Organmitgliedern in einem Maß, dass die Entscheidungen des jeweiligen Organs nicht mehr von einer Mehrheit gefasst werden können, die sich aus vom untergeordneten Verein gewählten Personen zusammensetzt, wird grundsätzlich unzulässig sein.
Die Bestellung des Vorstands durch außerhalb des Vereins stehende Dritte, etwa durch den Vorstand eines übergeordneten Verbands, ist dann zulässig, wenn die Bestellung durch den Dritten eine Förderung des Vereinszwecks darstellt, auch müssen die Beziehungen zu dem Dritten diesen Einfluss sachlich rechtfertigen. Es kommt also auf den Gesamtzusammenhang an, auf das gemeinsame Ziel.
Ein Veto des übergeordneten Vereins gegen Statutenänderungen wird zulässig sein, es darf natürlich weder schikanös ausgeübt werden noch unsachlich begründet sein.
Ein übergeordneter Dachverband kann Disziplinarmaßnahmen gegenüber einem Mitglied eines nachgeordneten Vereins nur durchsetzen, wenn dies in der Satzung des nachgeordneten Vereins (oder in von der Satzung vorgesehenen Dokumenten) vorgesehen ist.
Haupt- und Zweigverein
Der Unterverein muss allerdings auch aussteigen können. Statuten, die vorsehen, dass ein untergeordneter Verein im Fall seines Austritts aus dem Verband bzw. der Beendigung seiner Zweigvereinseigenschaft aufzulösen wäre, sind diesbezüglich nichtig – da ist das Grundrecht auf Vereinsfreiheit vor, das auch die negative Vereinsfreiheit umfasst, also das Recht, nicht Mitglied bei einem Verein zu sein bzw. aus einem solchen austreten zu können. Umgekehrt steht es aber auch dem Hauptverein frei, sich von einem Zweigverein zu trennen.
Die Auflösung des Zweigvereins steht dem Hauptverein jedenfalls nicht zu; eine Statutenbestimmung, dass der Hauptverein die Auflösung des Zweigvereins beschließen könne, wäre wegen des massiven Eingriffs in das Grundrecht der Vereinsfreiheit nichtig. Bei der freiwilligen Auflösung des Zweigvereins werden im Einzelfall dem Hauptverein sachlich gerechtfertigte Mitspracherechte hinsichtlich der Modalitäten der Auflösung zuzubilligen sein. So weit, dass die Auflösung des Zweigvereins der Zustimmung des Hauptvereins bedürfte, kann es aber nicht gehen, das würde dem Grundrecht auf Vereinsfreiheit widersprechen.