Wie Ihre Statuten die Mitgliederversammlung nennen, ist dem Vereinsgesetz egal. Das Gesetz bedient sich funktionaler Bezeichnungen, spricht also von Mitgliederversammlung und Leitungsorgan. Aber auch gegen Hauptversammlung und Präsidium besteht kein Einwand, Hauptsache, man weiß, was gemeint ist. Zum Teil ist das Vereinsgesetz geradezu wortkarg: Nähere Bestimmungen über die Kompetenzen der Mitgliederversammlung sind im Gesetz rar, und solche über die Art und Weise, wie Mitgliederversammlungen abzuhalten sind, wie gültige Beschlüsse in Mitgliederversammlungen gefasst werden können etc., sucht man im Gesetz vergeblich – aus diesem Grund kommt den Vereinsstatuten in diesem Zusammenhang größte Bedeutung zu. Der kreative Akt der Statutenschöpfer sollte daher über das Abschreiben von im Internet gefundenen Statuten hinausgehen.
Die Statuten können der Mitgliederversammlung alle möglichen Aufgaben übertragen, sollten sie aber jedenfalls bei Vereinen ab gewisser Größe nicht überfordern; bei Versammlungen in der Größenordnung von mehr als 15 Personen ist die Willensbildung in komplexen Materien in aller Regel langwierig.
Die Aufgaben der Mitgliederversammlung sollten daher auf Wahlen von Vereinsorganen und auf Grundsatzfragen beschränkt bleiben. Das Gesetz selbst gibt lediglich folgende Aufgaben vor:
- Gemeinsame Willensbildung der Vereinsmitglieder (§ 5 Abs 1);
- Bestellung des (fakultativen) Aufsichtsorgans (§ 5 Abs 4);
- Bestellung der Rechnungsprüfer bzw des Abschlussprüfers (§ 5 Abs 5);
- Entgegennahme von Informationen des Leitungsorgans über Tätigkeit und Gebarung des Vereins (§ 20);
- Entgegennahme des Berichts des Leitungsorgans über die geprüfte Einnahmen- und Ausgabenrechnung (§ 21 Abs 4);
- Entgegennahme der Mitteilung der Rechnungsprüfer über schwere Verstöße des Leitungsorgans gegen Rechnungslegungspflichten (§ 21 Abs 5);
- Bestellung eines Sondervertreters zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Vereins gegen einen Organwalter (§ 25 Abs 1).
Ohne dass das Gesetz dies ausdrücklich sagen würde, ergibt sich aus den der Mitgliederversammlung vom Gesetz zugeordneten Kompetenzen, aber auch aus dem allgemeinen Verständnis der Organe von Körperschaften, dass die Mitgliederversammlung das höchste Vereinsorgan ist – was aber andererseits auch nicht wirklich viel heißt. Von den der Mitgliederversammlung gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen (zu denen weder die Änderung der Statuten noch die Wahl des Leitungsorgans gehören – dies könnten die Statuten theoretisch auch einem anderen Organ zuweisen) abgesehen, ist nicht klar, was die oft wiederholte Bezeichnung als oberstes oder höchstes Vereinsorgan konkret bedeutet. Insbesondere sagt das VerG nichts darüber aus, ob der Mitgliederversammlung ein Weisungsrecht zusteht, auch wenn das manchmal behauptet wird. Es können in den Statuten sowohl ein Weisungsrecht der Mitgliederversammlung gegenüber dem Leitungsorgan wie auch eine automatische Restkompetenz des Leitungsorgans vorgesehen werden. Wenn aber in den Statuten nichts davon steht, dann gibt es weder das eine noch das andere.
Aber selbst, wenn man ein Weisungsrecht der Mitgliederversammlung annimmt (oder die Statuten explizit ein solches vorsehen), bliebe ein Verstoß gegen eine von der Mitgliederversammlung ausgesprochene Weisung konsequenzlos – es sei denn, die Statuten würden konkrete Folgen eines Verstoßes normieren. Den Mitgliedern bliebe als einzig mögliche Reaktion nur die Abwahl des Leitungsorgans. Klar: Aus der Verantwortung, die ein Leitungsorgan nun einmal hat, kommt dieses auch im Fall einer Weisung nicht heraus. Ist das Leitungsorgan von der Unsinnigkeit einer Weisung überzeugt, so betritt es, setzt es sich darüber hinweg, das Reich des Risikos, befolgt es die Weisung, allerdings auch. In Wahrheit bleibt dann wohl nur der Rücktritt. Oder man tut einfach das Richtige und schaut, was dann passiert.
Gibt es auch ungeschriebene Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung? Bedarf das Leitungsorgan, wenn es (formal im Rahmen der Statuten) Maßnahmen trifft, die den Verein gänzlich „umkrempeln“ und die faktische Stellung der Mitglieder oder bestimmter Organe einschneidend beeinträchtigen, eines Beschlusses der Mitgliederversammlung? Das wird dies für derartige Extremszenarios wohl zu bejahen sein. Wenn beispielsweise wesentliches Vereinsvermögen in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert wird, dann wird die Mitgliederversammlung schon etwas mitzureden haben, auch wenn das in den Statuten nicht ausdrücklich steht.
Massiv in die Struktur des Vereins eingreifende Maßnahmen, die das Leitungsorgan im Alleingang setzt, werden im Außenverhältnis zwar grundsätzlich gültig sein, können aber anfechtbar sein und Schadenersatzpflicht der Handelnden nach sich ziehen. Zu denken ist dabei an Ausgliederungen bedeutender Betriebs- oder Vermögensteile in Tochtergesellschaften (oder, noch gravierender, in eine Privatstiftung, an der der Verein nicht einmal Anteile halten kann), die Veräußerung von in Relation zum gesamten Vereinsvermögen bedeutsamen Beteiligungen etc.
Das Gesetz sagt zu Zuständigkeit sowie Inhalt und Form der Einberufung der Mitgliederversammlung nichts, Antworten auf diese Fragen haben die Statuten zu geben. Sind in der Satzung keine Regelungen vorgesehen, so hat die Einberufung durch den Vorstand zu erfolgen, dem es freisteht, eine Form der Einberufung zu wählen, die allen Mitgliedern die Gelegenheit gibt, von Zeit, Ort und Gegenstand der Versammlung rechtzeitig Kenntnis zu erlangen, wobei auch eine durch längere Zeit geübte Gewohnheit beachtlich sein kann.
Sinnvollerweise werden die Statuten den Ort der Mitgliederversammlung vorgeben; sie können dem Einberufungsorgan auch mehrere Orte zur Wahl geben. Sagen die Statuten dazu nichts, wird die Mitgliederversammlung im Zweifel am Sitz des Vereins stattzufinden haben. Soll bspw. die Mitgliederversammlung eines österreichweit tätigen Vereins alternierend in allen Landeshauptstädten stattfinden, so sollten die Statuten dies regeln. Ein Ort, der für einen relevanten Teil der Mitglieder nur mit großem Aufwand zugänglich ist, kann die Gefahr zumindest der Anfechtbarkeit der dort gefassten Beschlüsse mit sich bringen. Dasselbe gilt für den Zeitpunkt der Versammlung: Auch hier ist auf die Interessen der Mitglieder Bedacht zu nehmen und nicht ein Zeitpunkt zu wählen, an dem ein relevanter Teil der Mitglieder bekanntermaßen verhindert sein wird. Ein oberschlauer Vorstand, der bestimmte Beschlüsse durchbringen will, ohne dass ihm die Mitglieder dabei viel dreinreden, und daher in der Wahl von Ort und Zeit der Mitgliederversammlung allzu kreativ wird, tut dies mit dem Risiko der Anfechtung, vielleicht auch Nichtigkeit der dann gefassten Beschlüsse. Die zulässige Bandbreite taktischer Tricks bei der Einberufung ist daher beschränkt. Ein Verein, der einen nicht unbedeutenden Anteil an berufstätigen Mitgliedern hat, wird seine Mitgliederversammlung nicht am Vormittag eines Arbeitstags stattfinden lassen können, und der Vorstand eines kleinen Vereins, der mit der Generalversammlung so lange zuwartet, bis die Hälfte seiner Mitglieder auf Urlaub weilt, ist – Gegenwehr der Mitglieder vorausgesetzt – doch nicht ganz so schlau, wie er glaubt. Demokratie kann auch noch anders verunmöglicht werden: Etwa durch die Anberaumung einer Mitgliederversammlung von 9 bis 18 Uhr, bei der im Vorbeigehen zwar jeder seine Stimme abgeben kann, eine demokratische Diskussion jedoch faktisch unmöglich ist. Daher mag auch eine „ständige Internet-Mitgliederversammlung“ nicht so basisdemokratisch sein, wie sie klingt – auch der aktivste Pirat wird nicht ständig im Internet hängen, um auf virtuelle Papiere zu warten, über die er abstimmen kann.
Unter einer ordentlichen Mitgliederversammlung versteht man jene, die in den in den Statuten vorgesehenen Intervallen stattfindet; eine außerordentliche ist eine solche, die außerhalb dieser Regelmäßigkeit stattfindet. Sofern die Statuten nicht für die eine oder andere Sonderregeln vorsehen, besteht kein Unterschied – Mitgliederversammlung ist Mitgliederversammlung.
Sehen die Statuten vor, dass eine Mitgliederversammlung vom Obmann bzw. von der Obfrau des Vereins einzuberufen sei, dann ist dies natürlich auch so zu handhaben. (Grundsätzlich wird es einen zur Anfechtbarkeit führenden Einberufungsmangel darstellen, wenn jemand, der laut Statuten nicht zur Einberufung der Mitgliederversammlung berufen ist, dies tut. ) Aber gar nicht so selten geschieht es, dass der Vorstand zwar die Abhaltung einer Versammlung beschließt, ein störrischer Obmann die Mitgliederversammlung aber nicht einberuft. Nun ein Schiedsgericht anzurufen, das nach vielen Wochen dem Obmann aufträgt, endlich die Versammlung einzuberufen, was dieser aber dann wieder nicht tut, kann nicht der richtige Weg sein. Bei einer derartigen Regelung in den Statuten handelt es sich ja um eine reine Formalvorschrift, die materiell gesehen noch weniger Gewicht hat als eine interne Geschäftsverteilung. Wenn der Vorstand einen rechtsgültigen Beschluss auf Einberufung der Mitgliederversammlung gefasst hat, dann muss der Vorstand bei passivem Widerstand des eigentlich für die Einberufung Zuständigen befugt sein, diese Versammlung selbst (bzw durch ein beauftragtes Vorstandsmitglied) einzuberufen, ohne dass dies einen Einberufungsmangel darstellt. Alles andere wäre weltfremd.
Eine Einberufung per E-Mail wird (aus dem Blickwinkel der Rechtswirksamkeit der Einladung) nur gegenüber jenen Mitgliedern zulässig sein, die ihre E-Mail-Adresse dem Verein bekannt gegeben haben, die Angabe der E-Mail-Adresse im Beitrittsantrag reicht. Statuten sollten hier auf Nummer sicher gehen und die möglichen Einberufungsarten (Anschlag am Schwarzen Brett, Bekanntgabe in der Vereinszeitung oder im gemailten Newsletter, per einfachem oder eingeschriebenem Brief, Fax oder E-Mail) klar festlegen. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einladung per E-Mail ist beim erreichten Stand der Kommunikationstechnik wohl nicht mehr, dass dies in den Statuten ausdrücklich vorgesehen ist; sehr wohl ist aber Voraussetzung, dass der Adressat seine Mail-Adresse dem Verein ausdrücklich bekanntgegeben hat1 und der Einladung per E-Mail nicht explizit widersprochen hat. Aber nochmals: Sicher ist sicher – zumindest in einer Geschäftsordnung sollte die Art der Einladung ausdrücklich geregelt werden.
Besonders heikel sind Statutenänderungen. Zu empfehlen ist, die geplanten neuen Statuten unter Hervorhebung der Änderungen der Einladung zur Mitgliederversammlung beizulegen oder wenigstens auf der Website des Vereins bekannt zu machen. Dann kann sich niemand überrumpelt fühlen.
Nun kann eine Satzung zwar für zulässig erklären, dass Gegenstände zur Beschlussfassung noch nach der Einberufung der Mitgliederversammlung auf die Tagesordnung gesetzt werden. Diese müssen den Mitgliedern aber – jedenfalls wenn es sich um Satzungsänderungen handelt – so rechtzeitig vor dem Zusammentritt der Mitgliederversammlung mitgeteilt werden, dass genügend Zeit zu einer sachgerechten Vorbereitung bleibt; das gilt grundsätzlich auch für eilbedürftige Angelegenheiten.
Ist für Mitgliedsausschlüsse die Mitgliederversammlung zuständig, so sind Mitglieder, die von der Versammlung ausgeschlossen werden sollen, in der Tagesordnung namentlich zu nennen. Ihr Recht, durch Anträge und Wortbeiträge Einfluss auf den Verlauf der Versammlung zu nehmen, darf ihnen nicht genommen werden. Außerdem wird es für die anderen Vereinsmitglieder einen Unterschied machen, wer da ausgeschlossen werden soll, und dies wird ihre Entscheidung, an der Versammlung teilzunehmen, beeinflussen.
Über der statutenwidrig einberufenen Generalversammlung schwebt das Damoklesschwert der Nichtigkeit. Sofern es sich aber um „schlichte“ Einberufungsmängel handelt (Nichteinhaltung statutenmäßig oder durch Beschluss vorgesehener Fristen, mangelhafte Spezifizierung der Tagesordnungspunkte etc), und nicht etwa gleich überhaupt niemand eingeladen wurde, liegt keine Per-se-Nichtigkeit iSd § 7 Satz 1 vor, sondern (nur) eine Anfechtbarkeit iSd § 7 Satz 2 VereinsG. Natürlich bedeutet die Nichteinladung stimmberechtigter Mitglieder einen schweren Einberufungsmangel. Wenn nicht einmal der Anschein rechtmäßigen Handelns gewahrt ist (und zB beinahe die Hälfte der Stimmberechtigten nicht eingeladen wurde), so sind dennoch gefasste Beschlüsse nichtig. Nicht ganz so schwere Mängel werden jedoch nur zu einer Anfechtbareit führen.
Sind jedoch alle Mitglieder erschienen (das nennt man dann „Universalversammlung“) kann sich niemand auf eine nicht frist- oder formgerechte Einladung berufen, sofern alle Anwesenden mit der Abhaltung der Mitgliederversammlung und der Beschlussfassung einverstanden sind. Eine unvollständige Tagesordnung kann in einer solchen Situation die Anfechtbarkeit von Beschlüssen bewirken, hatten die Mitglieder ja dann keine Gelegenheit zur entsprechenden Vorbereitung. Die erschienenen Mitglieder werden sich daher entscheiden müssen, ob sie die Versammlung platzen lassen oder nicht. Sich auf geringfügige Einberufungsmängel, die in der Sache nicht viel Unterschied machen, zu stützen, kann aber schikanös sein..
Zur Absage einer anberaumten Mitgliederversammlung ist nur jenes Organ berufen, das zu dieser (befugterweise) eingeladen hat (mag dies im Einzelfall auch pflichtwidrig sein); haben sich die Mitglieder jedoch bereits am Versammlungsort eingefunden, ist eine Absage nicht mehr zulässig. Für örtliche und zeitliche Verlegunggelten die gleichen Grundsätze wie für die Einberufung.