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Abstimmungs- und Wahlverfahren in der Praxis

Diesmal bringt Ihnen Dr. Thomas Höhne Abstimmungen und Wahlen in Organisationen näher und gibt praktische Beispiele für verschiedene Situationen.

  • Grundsätzlich sind Abstimmungen und Wahlen offen, d.h. durch Handheben der Stimmberechtigten, durchzuführen. Es sei denn, die Statuten regeln dies anders oder die Mitgliederversammlung beschließt eine geheime Abstimmung.
  • Alle Vorstandsmitglieder sowie der/die Versammlungsleiter/in stimmen und wählen grundsätzlich mit, es sei denn, es wird über die konkreten Rechte und Pflichten einer Person abgestimmt, etwa über die Entlastung. Dann ist die Person, die entlastet werden soll, nicht stimmberechtigt.
  • Bei Kampfwahlen besser geheime Wahl mit Wahlzetteln vorziehen.
  • Vor jeder Abstimmung bzw. Wahl prüfen, ob einfache oder qualifizierte Mehrheit gilt (z. B. bei Statutenänderungen, Auflösung usw., wenn – je nach Statuten – mindestens zwei Drittel der anwesenden Stimmberechtigten zustimmen müssen).
  • Vor einer Abstimmung kann – auf Antrag – die Versammlung jederzeit eine bestimmte Abstimmungsform beschließen. Bei voraussichtlich geheimen Abstimmungen tut der Vorstand gut daran, entsprechende Stimmzettel vorzubereiten, damit die Versammlung nicht zur Bastelstunde gerät.

 

Vorgehen bei Abstimmung ohne Gegenantrag:
Beispiel: Entlastung des Vorstands

Abstimmungsleiter:

  • «Wer für die Entlastung des Vorstands ist, möge die Hand heben.»
  • «Gegenstimmen?» (Nein-Stimmen)
  • «Enthaltungen?» (nur nötig, wenn in den Statuten vorgesehen ist, dass die Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder zustimmen muss, was allerdings üblich ist. Dann wird eine Enthaltung faktisch zur Nein-Stimme. Ist nicht ausdrücklich die Mehrheit der anwesenden Mitglieder vorgesehen, sondern nur ganz einfach von Mehrheit die Rede, dann reicht es, wenn die Ja-Stimmen die Nein-Stimmen um zumindest eine Stimme überflügeln.
  • Das Zählen der Stimmen durch die Stimmenzähler ist dann notwendig, wenn kein klares Mehrheitsverhältnis erkennbar ist. Bei angespannter Stimmung aber lieber über korrekt sein.

 

Vorgehen bei Abstimmung mit Zusatzantrag:
Beispiel Genehmigung einer Beitragserhöhung mit Zusatzantrag von Herrn XY

Abstimmungsleiter:

  • «Wer dem Antrag des Vorstands auf Erhöhung des Mitgliedsbeitrages auf EUR 50 zustimmen will, bezeuge dies durch Handheben.» Wird das schon abgelehnt, erübrigt sich die Abstimmung über den Zusatzantrag, es gibt gar keine Erhöhung. Das muss man den Mitgliedern aber vorher sagen, damit nicht jene, die für die EUR 70 sind, gegen die EUR 50 stimmen
  • «Wer für den Antrag von Herrn XY auf Anhebung des Mitgliedsbeitrages auf  EUR 70 ist, bezeuge dies durch Handerheben.»
  • Entweder wird die Erhöhung schon bei der Abstimmung über den Hauptantrag abgelehnt, oder die Erhöhung auf EUR 50 findet eine Mehrheit – dann muss man aber noch schauen, ob auch die Erhöhung auf EUR 70 eine Mehrheit findet. Wenn nein, bleibt es bei der Erhöhung auf EUR 50.

 

Vorgehen bei Abstimmung mit mehreren Anträgen / Ermitteln des Siegers im «Cup-System»:

(Haupt)Antrag: Antrag vorbereitet durch den Vorstand
Gegenantrag 1 der Neigungsgruppe Schach
Gegenantrag 2 der Neigungsgruppe Tischtennis

  1. Abstimmung: Gegenantrag 1 gegen Gegenantrag 2

Abstimmungsleiter:

  • «Wer dem Gegenantrag 1 zustimmen will, bezeuge dies durch Handerheben.»
  • «Wer dem Gegenantrag 2 zustimmen will, bezeuge dies durch Handerheben.»
  •  Zählen der Stimmen, wenn kein klares Mehrheitsverhältnis erkennbar ist.

Annahme, in diesem Beispiel erhalte der Gegenantrag 2 mehr Stimmen.

  1. Abstimmung: Hauptantrag 1 gegen Gegenantrag 2

Abstimmungsleiter:

  • «Wer dem Hauptantrag zustimmen will, bezeuge dies durch Handerheben.»
  • «Wer dem Gegenantrag 2 zustimmen will, bezeuge dies durch Handerheben.»
  • Zählen der Stimmen, wenn kein klares Mehrheitsverhältnis erkennbar ist.

Alternative
Oft ist der Gegenantrag konkreter als der Hauptantrag und würde gegenstandslos, wenn er nach oder gleichzeitig mit dem Hauptantrag abgestimmt würde; dann ist es sinnvoll, zuerst den Gegenantrag abzustimmen (in unserem Beispiel den Gegenantrag 2), und dann erst den Hauptantrag.

 

Wahlen:

Sobald sich mehr als 2 Kandidaten für ein Amt bewerben, empfiehlt es sich, im ersten Wahlgang an der absoluten Mehrheit festzuhalten (Mehrheit aller gültig abgegebenen Stimmen). Erreicht kein Kandidat die absolute Mehrheit, muss ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Gewählt ist dann der Kandidat, welcher die relative Mehrheit (am meisten Stimmen) erhält. Natürlich können Statuten oder Wahlordnung aber von Vornherein ein bestimmtes System vorgeben.

Beispiel (Durchführung als geheime Wahl):

Als Vereinspräsident/in stellen sich folgende Personen zur Wahl:

  • Gustav Gans
  • Oma Eusebia
  • Gundel Gaukeley
  1. Wahlgang: 14 gültig abgegebene Stimmen, absolute Mehrheit wäre 8
  • Gustav Gans 4 Stimmen
  • Oma Eusebia 6 Stimmen
  • Gundel Gaukeley 4 Stimmen

Keine Person erreicht die absolute Mehrheit von 8 Stimmen. Es ist ein zweiter Wahlgang nötig.

  1. Wahlgang: 14 gültig abgegebene Stimmen
  • Gustav Gans 3 Stimmen
  • Oma Eusebia 7 Stimmen
  • Gundel Gaukeley 4 Stimmen

Gewählt ist Oma Eusebia, weil sie am meisten Stimmen aller Kandidaten erreicht hat.

 

Soll so etwas in die Statuten?
Nein, sicher nicht. In eine Wahl- und Abstimmungsordnung oder Geschäftsordnung der Generalversammlung? Ja, unbedingt. Vielleicht nicht in dieser Ausführlichkeit, aber einige Grundsätze festzulegen, hat zwei Vorteile: Man hat etwas, wo man nachschauen kann (denn sowas vergisst man ja von einem aufs andere Mal), und man braucht nicht zu streiten.