Wien, 18. Juli 2023. Österreich ist ein Land der Kleinspender:innen: Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz geben hierzulande deutlich weniger vermögende Menschen für gemeinnützige Zwecke. Um zu verstehen woran das liegt, was Vermögende zu Spenden motiviert und was sie dabei hemmt, hat das Institut für Höhere Studien im Auftrag des Fundraising Verband Austria erstmals eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt. Qualitative Interviews mit 15 vermögenden Österreicher:innen ergaben, dass unter heimischen Großspender:innen das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit und das Gefühl der Verantwortung besonders starke Antriebe sind. Barrieren stellen hingegen die vorherrschende Mentalität, dass der Staat für das Lösen aller Probleme zuständig sei, die Skepsis der Gesellschaft gegenüber Vermögen und die schlechten steuerlichen Rahmenbedingungen dar. Was es für den Aufbau einer starken Kultur der Philanthropie braucht: Wertschätzung und mehr Austausch unter Philanthrop:innen.
Das internationale Spendenwesen entwickelt sich seit Jahren dahin, dass weniger Spendende kontinuierlich höhere Beträge geben. Insbesondere das Engagement Vermögender steigt in vielen Ländern seit geraumer Zeit an. „In Österreich wurden 2022 insgesamt 900 Mio. Euro gespendet – rund 97 Euro pro Einwohner. In der Schweiz und Deutschland liegt dieser Schnitt mit 217 Euro bzw. 150 Euro deutlich höher. Einer der Hauptgründe dafür ist eine wesentlich stärkere Beteiligung von vermögenden Menschen, die sich direkt oder über eigene Stiftungen engagieren“, weiß Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria.
Neue IHS-Studie gibt Einblick, was Philanthropen bewegt
Eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) widmet sich daran anknüpfend erstmals der Frage, wie eine Kultur der Philanthropie unter Vermögenden in Österreich aufgebaut werden kann. Auf Basis einer verhaltensökonomischen Literaturanalyse wurden dazu 15 qualitative Interviews, zwei Fokusgruppen mit Vermögenden sowie zwei Expert:innen-Workshops durchgeführt. Das besondere Studiendesign ermöglichte unmittelbaren Einblick in die Situation Vermögender. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Vermögende vor allem von intrinsischen Motiven, wie dem Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, zum Spenden motiviert werden. Im internationalen Vergleich wird außerdem in Österreich stärker das Gefühl der Verantwortung als Grund angegeben, sich philanthropisch zu engagieren“, erläutert Studienautorin Katharina Gangl.
Konkret ausgearbeitet wurden in der Studie 36 Maßnahmen, die eine Kultur der Philanthropie stärken sollen. Zwei Maßnahmen haben sich dabei als besonders vielversprechend herauskristallisiert: Zum einen die Förderung eines niederschwelligen Austausches zwischen Philanthrop:innen und zum anderen die Förderung einer differenzierten öffentlichen Diskussion zum Thema Spenden und Philanthropie. „Es geht darum, jene Vermögenden, die Verantwortung übernehmen, als Gruppe jenen gegenüberzustellen, die glauben, der Staat sei für alles zuständig. Dadurch kann auch eine soziale Dynamik entstehen, die mehr Vermögende dazu motiviert ebenso Verantwortung zu übernehmen“, fasst Gangl zusammen. Dazu sollten Möglichkeiten geschaffen werden, die es Philanthrop:innen ermöglichen, on- und offline miteinander in Kontakt zu treten und sich gegenseitig zu unterstützen.
Top Philanthropie-Rahmenbedingungen ab 1.1.2024
Im internationalen Vergleich trafen Österreichs Stifter:innen und Großspender:innen bislang auf schlechte Rahmenbedingungen, die mit bürokratischen Hürden, fehlenden Anreizen und mangelnder Rechtssicherheit einhergingen. Wie die vorliegende Studie unterstreicht, zählte auch das zu den Hemmnissen für mehr gemeinnütziges Engagement Vermögender. Mit dem von der Bundesregierung kürzlich beschlossenen, umfassenden Gemeinnützigkeitspaket fällt diese Barriere in jedem Fall weg, ist sich Günther Lutschinger sicher: „Neben der wesentlichen Stärkung der Freiwilligenarbeit, kommen per 1.1.2024 endlich die Spendenabsetzbarkeit für alle gemeinnützigen Bereiche, deutliche Erleichterungen im Zugang und klare Verbesserungen für gemeinnützige Stiftungen – alles in allem top Bedingungen für den Philanthropie-Standort Österreich“, betont Lutschinger und fügt abschließend hinzu: „Nun liegt es an den vermögenden Menschen hierzulande, ihre gesellschaftliche Verantwortung zu beweisen und sich aktiv an der Bewältigung der großen Herausforderungen, beispielsweise im Bereich der Bildung oder des Klimaschutzes, zu beteiligen.
Philanthropie-Studie im Überblick
Die vorliegende Studie wurde durch das Institut für Höhere Studien auf Initiative von 13 gemeinnützigen Organisationen (Österreichisches Rotes Kreuz, Caritas, UNICEF Österreich, Ärzte ohne Grenzen, WWF, Concordia Sozialprojekte, Licht für die Welt, Jugend eine Welt, Care, ROTE NASEN Clowndoctors, VIER PFOTEN, SOS-Kinderdorf und Teach for Austria) und des Fundraising Verband Austria durchgeführt.
Auf Basis einer Literaturrecherche wurden Interviews mit 15 Vermögenden geführt. Darüber hinaus wurden zwei Fokusgruppen mit Vermögenden und zwei Workshops mit Expert:innen organisiert. Der gesamte Studienablauf wurde von einer Projektsteuerungsgruppe festgelegt und organisiert. Mitglieder dieser Gruppe waren neben dem IHS zwei Mitglieder des FVA sowie jeweils ein Mitglied von Ärzte ohne Grenzen, Teach for Austria und UNICEF Österreich.
Rückfragehinweis:
Institut für Höhere Studien:
Sascha Harold, M: +43 677 61017344, E: mediarelations@ihs.ac.at
Fundraising Verband Austria:
Dr. Andreas Anker, M: 0676 421 47 06, E: presse@fundraising.at