Sofort Aufschrei der Guten: Natürlich diskriminieren wir nicht! Sicher nicht? Schauen wir ein bisschen genauer hin. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet diskriminieren, jemanden durch unterschiedliche Behandlung zu benachteiligen. Das Wort hat allerdings auch eine ganz wertfreie Bedeutung, nämlich „unterscheiden“. Und die Frage ist eben, nach welchen Kriterien und warum wird unterschieden? Und wann darf man?
Sind diskriminierende Klauseln in Vereinsstatuten zulässig – wenn etwa die Mitgliedschaft oder der Zugang zu Vereinsfunktionen auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkt wäre? Für die Mitgliedschaft ist das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) jedenfalls nicht anwendbar, da es diesbezüglich nur die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie den Zugang zu selbstständig ausgeübter Erwerbstätigkeit erfasst. Handelt es sich bei einer Vereinsfunktion um ein Dienstverhältnis, so ist das GlBG anwendbar, gilt es doch für Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen. Ebenso ist das GlBG auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer*innen- oder Arbeitgeber*innen-Organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen, anwendbar. Auch dann, wenn Vereinsmitgliedschaft und Dienstverhältnis aneinandergekoppelt sind, kann das G1BG anzuwenden sein, wenn eine Person nur deshalb nicht angestellt wird, weil ihr die Mitgliedschaft verweigert wird.
Allerdings verbrieft Art. 7 Abs 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) ganz generell das Recht auf Gleichbehandlung und verbietet Vorrechte u. a. aufgrund des Geschlechts oder des Bekenntnisses – was sich grundsätzlich auch auf privatrechtliche Verhältnisse auswirken kann. Das kann allerdings mit einem anderen Grundrecht, insbesondere mit der Privatautonomie bzw der Verbandsautonomie, kollidieren! Auch die Menschenrechtskonvention (Art. 14 EMRK) normiert ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich des Genusses der in der EMRK festgelegten Rechte und Freiheiten, wozu auch die Vereinsfreiheit des Art. 11 EMRK[1] zählt, und damit die Freiheit der Ausgestaltung der Vereinsstatuten. Wie lösen wir dieses das Aufeinanderprallen von an sich gleichrangigen Rechten?
Das deutsche Verfassungsgericht betont die Vereinsautonomie gegenüber dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes (GG), wenn es sagt: Im Bereich der Satzungsautonomie kann die Vereinsautonomie umso ungehinderter zur Geltung kommen, je stärker die Vereinigung im privaten Bereich angesiedelt ist, sie muss umso mehr hinter Gleichheitsanforderungen zurücktreten, je stärker sie im öffentlichen Bereich wirkt und sich einem Interessenverband oder einer Berufsvereinigung mit für ihre Mitglieder wesentlicher Bedeutung annähert und dabei eine Monopolstellung einnimmt.
Und dann gibt’s ja noch den Kontrahierungszwang, also die Pflicht zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts: Eine solche (hier: Aufnahme in den Verein) wird überall dort angenommen, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über andere gibt – ein einfaches Beispiel: die ÖBB dürfen nicht willkürlich jemanden vom Transport ausschließen. Ein Verein mit besonderer Macht- oder gar Monopolstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich darf die Aufnahme nicht verweigern, wenn der Aufnahmewerber auf die Mitgliedschaft in besonderem Maße angewiesen ist – also wenn die ökonomische oder berufliche Existenz des Aufnahmewerbers von der Aufnahme in den Verein abhängt oder doch durch die Ablehnung der Aufnahme zumindest unzumutbar beeinträchtigt würde. Um einen solcherart argumentierten Kontrahierungszwang zu durchbrechen, bedarf es eines sachlichen, objektiv rechtfertigenden Grundes. Gibt es einen solchen sachlichen Grund, so werden die Interessen des Vereins gegen jene des Aufnahmewerbers abzuwägen sein. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Verein im öffentlichen Interesse liegende Ziele verfolgt, für die der Staat – gäbe es den jeweiligen Verein nicht – selbst institutionell Vorsorge treffen müsste (zB Sportverbände als primäre Förderungsnehmer im Rahmen der Sportförderung).
Thema des Diskriminierungsverbots ist die bloße Unterscheidung nach von der Rechtsordnung verpönten Merkmalen (wie etwa Geschlecht, geschlechtliche Orientierung, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit etc.). Diese kann nur dann einen sachlichen und damit zu tolerierenden Grund für die Abweisung des Bewerbers darstellen, wenn ein Merkmal, das mit der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, dem Alter oder der sexuellen Ausrichtung zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Ein Männergesangsverein darf daher weiterhin nur Männer aufnehmen (auch: Stichwort Kunstfreiheit!) und die katholische Jungschar nur junge Katholiken. Aber darf ein Kegelclub Ausländer ausschließen oder ein Jagdverein Frauen?
Orientierung bieten zwei Kriterien: Zum einen, ob eine strukturelle Übergewichtigkeit eines Vertragspartners vorliegt, und zum anderen, ob es sich um einen besonders intensiven Eingriff in grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte (wie Menschenwürde oder Gewissensfreiheit) handelt. Wendet sich daher ein Verein an die breite Allgemeinheit und organisiert allgemeine Interessen einer größeren Gruppe von Personen (oder: je stärker er im öffentlichen Bereich wirkt), und gibt es dazu noch nur wenige Ausweichmöglichkeiten, so wird das Diskriminierungsverbot eher zu bejahen sein als beim zitierten lokalen Kegelverein, der lediglich ganz spezifische Interessen in überschaubarem Rahmen organisiert.
Und wie sieht es mit dem Zugang zu Vereinsfunktionen aus? Wenn die Aufnahme diskriminierungsfrei gestaltet werden muss, dann natürlich auch der Zugang zu Funktionen im Verein. Beschränkungen müssen sachlich argumentierbar sein (zB Altersklauseln). Aber auch sonst wird der Zugang zu Vereinsfunktionen diskriminierungsfrei zu gestalten sein – dies folgt schon aus dem im Vereinsrecht etablierten Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (der wiederum bei sachlich gerechtfertigter Differenzierung in verschiedene Mitgliederkategorien durchbrochen werden kann).
Nein, ganz einfach ist es nicht. Zwei Zauberworte bleiben am Schluss übrig: Faktische Übermacht und sachliche Rechtfertigung – um die geht es fast immer.