Wien, 8.7.2021. Die Corona-Pandemie hat für den Freiwilligendienst von Jugendlichen im Ausland massive Hürden mit sich gebracht. Für all jene, die ihren Dienst aufgrund der COVID-Gefahr vorzeitig abbrechen mussten, hat der Nationalrat im Vorjahr per Notfallregel die Möglichkeit geschaffen, ihr freiwilliges Engagement im Inland fortzusetzen. Dieses Sicherheitsnetz gewährleistet, dass die sechsmonatige Mindestlaufzeit und damit die Anrechenbarkeit als Zivildienst aufrecht bleiben. Gestern Abend wurde der Antrag auf Verlängerung bis Ende 2022 von ÖVP und Grünen im Nationalrat angenommen.
Im Rahmen eines freiwilligen Auslandsdienstes – sei es ein „Soziales Jahr“ oder einen Gedenkdienst – die Gesellschaft zu unterstützen, ist eine Option, die sich bei Österreichs Jugendlichen wachsender Beliebtheit erfreut. Corona hat diese Form des Freiwilligenengagements gewissermaßen ausgebremst. In vielen Fällen mussten begonnene Dienste vorzeitig abgebrochen werden. Deshalb hat der Nationalrat 2020 die Sonderregelung im Freiwilligengesetz verankert, abgebrochene Auslandsdienste innerhalb Österreichs fortsetzen zu können, wenn dies aufgrund von „Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfangs und außerordentlichen Notständen“ erforderlich ist.
Auf Antrag von Andreas Hanger (ÖVP) und David Stögmüller (Grüne) wurde diese Sonderregelung angesichts der weltweit weiter unsicheren Pandemielage bis Ende Dezember 2022 verlängert.
Sicherheit in mehrerlei Hinsicht
Caritas und Internationale Freiwilligeneinsätze CÖ gGmbH begrüßen diese Verlängerung der Corona-Sonderregelung im Freiwilligengesetz. Für die sichere Umsetzung internationaler Einsätze von jungen Menschen ist es enorm wichtig, dass Rechtssicherheit gegeben ist und die Freiwilligen keinen finanziellen Schaden erleiden, meint Gerhard Vonach, Geschäftsführer des IFE: „Als Vertreter der größten Organisation in Österreich, die Freiwillige in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit entsendet, bin ich sehr froh, dass der Nationalrat das Gesetz angepasst hat. Der verbreitete Eindruck in Österreich, dass die Covid-19-Pandemie ‚überwunden‘ ist, stimmt angesichts des Zögerns der westlichen Regierungen, Impfstoff für die Länder des globalen Südens zur Verfügung zu stellen, keineswegs. Und für uns haben Gesundheit und Sicherheit der Freiwilligen absoluten Vorrang. Deshalb würden wir sie sofort nach Österreich zurückholen, wenn die Folgen von Covid-19 im Einsatzland dies erfordern. Das Gesetz gibt jenen Menschen, die sich dort ehrenamtlich engagieren, die Sicherheit, dass sie bei einer vorzeitig notwendigen Rückkehr weder die Unterstützungen aus dem staatlichen Förderprogramm noch die Anerkennung der Einsatzzeit auf den Zivildienst verlieren.“
Auch Reinhard Heiserer, Geschäftsführer Jugend Eine Welt, zeigt sich über die zeitgerechte Verlängerung erleichtert und hebt die Vorteile für Freiwillige ebenso wie für NPOs hervor: „Die Sonderregelung ermöglicht den österreichischen Entsendeorganisationen und den Projekten vor Ort eine sichere Planung. Den Freiwilligen, die sich für globale Anliegen engagieren, bietet das Gesetz ein wichtiges Sicherheitsnetz. Wenn bald das gesamte Freiwilligengesetz erneuert wird, hoffen wir, dass dieser Ansatz verankert bleibt: Engagement braucht Rechtssicherheit – nur dann können junge Menschen gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort den Gedanken der Einen Welt nachhaltig weitertragen“.
Freiwilligkeit im Regierungsprogramm: Langes Warten auf Umsetzung
Auch der Fundraising Verband Austria – Dachverband der österreichischen Spendenorganisationen – begrüßt die gestrige Beschlussfassung im Parlament, weist aber zugleich darauf hin, dass bisher noch keiner der Regierungsprogrammpunkte zum Ausbau des Freiwilligenwesens im Inland realisiert worden ist. „Angesichts so vieler gemeinnütziger Punkte im Arbeitsprogramm einer Bundesregierung wie noch nie, war die Hoffnung auf bessere Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in Österreichs NPO-Sektor Anfang 2020 groß. Ebenso groß ist jetzt, nach eineinhalb Jahren Regierungsarbeit, die Enttäuschung, dass von 14 wichtigen Punkten noch kein einziges Vorhaben umgesetzt werden konnte.“, betont Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria. Bis heute müssen viele Freiwillige in Österreich teilweise ohne versicherungstechnische Absicherung arbeiten. Eine einheitliche Unfall- und Haftpflichtversicherung für alle ehrenamtlichen Tätigkeiten ist längst überfällig. Dringend notwendig sind auch die Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsgesetzes sowie die angekündigte Errichtung einer Koordinations- und Servicestelle für Freiwillige, gemeinnützige Vereine, Stiftungen und soziale Unternehmen. Auch auf den Ausbau der Infrastruktur durch Freiwilligenzentren in jedem Bundesland und den Betrieb von digitalen Freiwilligenplattformen wartet der Sektor vergeblich.
Ehrenamt in Zahlen
3,4 Mio. Österreicherinnen und Österreicher über 15 Jahre setzen sich in ihrer Freizeit für den guten Zweck ein. Dabei leisten sie jede Woche 14 Mio. ehrenamtliche Arbeitsstunden, sei es in Hilfsorganisationen und wohltätigen Vereinen oder in der Nachbarschaftshilfe. Allein 2,3 Mio. Menschen engagieren sich in den weit über 100.000 NPOs des Landes. Österreichs Freiwillige sind damit auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: 9 Mrd. Euro tragen sie jährlich zur Bruttowertschöpfung bei.
Fast 450.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unterstützen die Vereine, die im Fundraising Verband Austria Mitglied sind. Der FVA zählt damit zu den größten Verbänden für Freiwilligenorganisationen.
Rückfragehinweis:
Dr. Andreas Anker, Presse Fundraising Verband Austria,
T: 0676/4214706, E: presse@fundraising.at