NPO-Marketing-Spezialist Jona Hölderle verrät uns exklusiv, worauf es beim digitalen Spendenerfolg ankommt und welche Trends auf uns warten.
Online-Spenden verzeichnen seit Jahren starke Zuwächse und machen einen immer größeren Anteil am Gesamtspendenaufkommen aus. Ist für NPOs, die jetzt mit Online-Fundraising starten möchten, der Zug bereits abgefahren?
Nein, der Zug ist nicht abgefahren. Aber vielleicht muss man zu Beginn etwas hinterherrennen, um ihn noch zu bekommen. Es ist schwieriger, wenn man noch keinen eigenen Verteiler von Unterstützer*innen hat, aber mit tollen Projekten ist nach wie vor alles möglich. Nur Organisationen, die Spenden für Anliegen brauchen, das auch andere Organisationen adressieren, werden ohne eine engagierte Unterstützer*innenbasis online schwerer Erfolg haben.
Welche Möglichkeiten bieten digitale Spendenformen, die analoge Mittel nicht bieten können?
Erst einmal ist die Unabhängigkeit von Raum und Zeit etwas abstrakt. Online-Spenden sind immer und überall möglich. Sobald der Spendenwunsch entsteht, zum Beispiel durch ein Erlebnis oder etwas Gesehenes, kann man sofort spenden. Wir können Menschen also direkt bei ihren Bedürfnissen abholen und dies dank der räumlichen Unabhängigkeit auch in thematischen Nischen, solange es nur genügend Interessierte gibt. Auf der anderen Seite steht die besondere Kostenstruktur: Leider ist auch digitale Kommunikation nicht per se günstig, aber die Grenzkosten gehen gegen Null – also die Kosten für das Versenden an eine weitere Person. Ob ich 10 oder 10.000 E-Mails verschicke, macht kaum einen Unterschied bei den Kosten. Das bedeutet, dass wir intensiver, häufiger und individualisierter kommunizieren können. Wir müssen uns auch nicht auf reine Spendenaufrufe konzentrieren, sondern können mal nur Erfolge und Misserfolge kommunizieren. Und zuletzt ein vielleicht etwas banaler Aspekt: Es gibt einfach Spender*innen, die einen Kanal bevorzugen und sich keinen anderen vorstellen können. Ich habe beispielsweise in meinem Leben noch keinen Überweisungsträger ausgefüllt, obwohl ich mit Anfang 40 auch nicht mehr zu den ganz Jungen zähle.
Was ist bei den Online-Fundraising-Entwicklungen im DACH Raum im vergangenen Jahrzehnt gut, was ist weniger gut gelaufen – mit Blick auf den globalen Spendenmarkt?
Zum Glück ist der DACH-Raum hier nicht einheitlich. Aber wenn ich es etwas holzschnittartig betrachte, gab es vor allem ein Problem: Vor Corona wurde das Thema Online-Fundraising als etwas Separates im Fundraising betrachtet, ohne Maßnahmen wirklich strategisch zusammen zu denken. Das lag zum einen an der meist unbegründeten Angst vor dem Medienbruch, zum anderen am Unwillen, neue Maßnahmen durchzuführen, die nicht sofort denselben Erfolg erzielen würden wie bestehende. Dadurch wurde viel Zeit verschlafen.
Organisationen haben deshalb über längere Zeit online dasselbe wie offline gemacht und sich gewundert oder sogar gefreut, dass sich nicht die gleichen Response-Raten zeigten wie bei über Jahrzehnte eingeübten Maßnahmen. Dabei wurde oft ignoriert, dass auch online Beziehungsarbeit notwendig ist, die sich erst langsam aufbaut. Beispielsweise wurde erst sukzessive damit begonnen, Online-Fundraising aus dem CRM, der Fundraising-Software, zu steuern. Hierbei waren andere Länder und Regionen innovationsfreudiger, allerdings gleichzeitig manchmal auch etwas unvorsichtig im Umgang mit Daten. Zudem hat sich in einigen Organisationen eine Trennung zwischen Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit verfestigt, die speziell im Online-Bereich einfach nicht machbar ist und dem Fundraising schadet.
Ich habe aber das Gefühl, dass seit der Corona-Pandemie viele Knoten geplatzt sind. Teilweise so stark, dass es auf der anderen Seite zum Teil überzogene Erwartungen an die digitalen Möglichkeiten gibt. Viele Organisationen holen gerade rasant auf und ich gehe davon aus, dass die derzeitige Polykrise auch neue, innovative Organisationen auf den Spendenmarkt bringt.
Was sind aus Ihrer Erfahrung die drei wichtigsten Erfolgskriterien für den Online-Spendenerfolg?
Verteiler, Projekte, Technik! Ein Verteiler bietet den großen Vorteil, dass Organisationen ihre Zielgruppe direkt ansprechen können. Digital hauptsächlich via E-Mail, aber auch in sozialen Medien oder auf der eigenen Website. Fundraising lebt davon, dass wir Menschen aktiv nach einer Spende fragen, dafür brauchen wir Menschen, die wir fragen dürfen und deren Motivation wir kennen. Es ist entscheidend, Verteilerdaten zu segmentieren, um gezielte und personalisierte Ansprache zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass wir digitale Verteiler nur schwer kaufen oder mieten können. Projekte bedeutet, dass auch im digitalen Feld die gute Arbeit der Organisation und der kommunizierbare Bedarf im Vordergrund stehen sollten. Durch die geringere Verbindlichkeit im digitalen Raum wird das Wirkungsversprechen, also die Frage, was mit der Spende konkret geschieht, noch wichtiger. Technik steht hier erst an dritter Stelle. Dennoch ist sie wichtig. Gute technische Abläufe machen eine effiziente und trotzdem persönliche Kommunikation möglich. Dabei ist die Einfachheit für die Spendenden von unschätzbarer Bedeutung. Spenden geschieht oft nebenbei, jede noch so kleine Hürde kann dafür sorgen, dass die Spende doch nicht durchgeführt wird.
Im nächsten Teil unserer Interviews verrät Jona, wie wichtig Fundraising via Social Media ist, worauf wir beim Datenschutz achten müssen, wie wir Alt und Jung für unsere Sache begeistern und was die Trends der Zukunft sind.