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Spendenmarkt in Bewegung

Spendenmarkt aus Leadership-PerspektiveDie weltweit aktive Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières (MSF) sammelt in 40 Ländern Spenden für medizinische Nothilfe in Krisengebieten. Seit 2023 koordiniert Barbara Gerold-Wolke das weltweite private Fundraising der Organisation und steht außerdem federführend hinter dem International Fundraising Leadership Forum (IFLF). Ein Gespräch über die Zukunft des Spendenmarkts und der Spendenwerbung.

Motivation und Prioritäten Spendender verändern sich. Wie sollen Organisationen damit umgehen?

Aus meiner Erfahrung in der Spendenwerbung – in den letzten Jahren bei Ärzte ohne Grenzen – würde ich sagen, dass vieles, was in der Vergangenheit vielleicht noch eine „Option“ war, spätestens jetzt ein absolutes Muss ist: Leadership & Management, zeitgeschichtliche Relevanz, integrierte Kommunikation, Geschwindigkeit, Digitalisierung, Technologie, Erforschung von Spender*innenverhalten, diverse Expertisen, Erfahrungen und Hintergründe in der Belegschaft, und v.a. auch die entsprechende Anpassung der Kommunikation an die Bedürfnisse und Erwartungen verschiedener Zielgruppen. Ganz besonders wichtig wird es jedoch sein, dass wir wissen, in unserem Tun beweisen und klar kommunizieren, wofür wir stehen – insbesondere in Momenten, an die sich jeder erinnern wird. Diese „Identitätsarbeit“ ist zentral.

Es gibt am Spendenmarkt immer mehr Organisationen, aber auch Unternehmen, die zu den klassischen NPOs hin zugekommen sind (zB. B Corps und SHARE). Wie könnte das den Markt verändern?

Insgesamt ist es sehr zu begrüßen, wenn Unternehmen ebenfalls gesellschaftliche Verantwortung übernehmen! Für „klassische“ NPOs stellt sich dann natürlich die wichtige Frage: Spenden die Menschen weiterhin und treffen sie zusätzlich ethische Entscheidungen beim Einkaufen? Oder ersetzen diese Entscheidungen eventuell das Spenden? NPOs müssen dementsprechend ihre Angebote anpassen. Fühlt sich das Spenden ähnlich erfüllend an wie das Einkaufen, oder ist es kompliziert und anstrengend? Das ist unser Hebel – ich denke, wir müssen sehr viel kreativer und nutzer*innenfreundlicher werden. Und natürlich gut erklären, warum es beides braucht.

Erzählen Sie uns bitte von der Motivation hinter dem IFLF?

Das International Fundraising Leadership Forum (IFLF) ist ein Zusammenschluss von internationalen Organisationen (NPOs und UN-Organisationen) – vertreten durch ihre jeweiligen Fundraising-Direktor*innen – die Mittel von Einzelpersonen, Unternehmen und Stiftungen in mehreren Ländern einwerben. Derzeit stehen 17 Mitglieder dahinter. Wir sind bestrebt, „globales Fundraising für eine bessere Welt“ gemeinsam voranzutreiben, d.h. Daten zu erheben und als Führungskräfte voneinander und miteinander zu lernen. Das IFLF bietet eine Reihe verschiedener Benchmarking-Studien an, die jeweils spezifische und neue Einblicke in die Welt des Spender*innenverhaltens bieten sollen.

Wie kann man als Organisation das Vertrauen der Spen denden in diesen sich heute radikal schnell verändernden Zeiten gewinnen, halten und ausbauen?

Indem man relevant für die Menschen ist und bleibt – und sich ihr Vertrauen jeden Tag neu verdient. Dazu braucht man eine gute, kontinuierliche Verbesserungs- und Innovationskultur und den Willen, alle Prozesse regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern. Das ist wirklich harte Arbeit und kostet Zeit und Geld, aber ohne diesen Einsatz geht es nicht. Und natürlich ist niemand und keine Organisation perfekt – diese Kultur muss intern und extern gleichermaßen existieren. Einen Unterschied zwischen „innen“ und „außen“ gibt es ohnehin nicht, und nur eine möglichst hohe Kohärenz zwischen konstatierten und gelebten Prinzipien und Werten führt zu Vertrauen.

Erfolgreiche Organisationen, die resilient über viele Jahre arbeiten, haben eines gemeinsam: Sie haben nach innen hin rechtzeitig Optimierungen vorgenommen. Haben Sie hierfür Beispiele für uns aus Ihrem Wirkungskreis?

Viele – und vieles, was auch nicht funktioniert hat, das gehört selbstverständlich dazu! Was meines Erachtens oft vergessen wird ist, dass Innovationen nicht immer technisch sein müssen: Vor ein paar Jahren hatten wir bei Ärzte ohne Grenzen in Deutschland die Herausforderung zu meistern, dass wir schnell gewachsen sind, und unsere Leitungsstrukturen nicht mehr tragfähig genug waren. Gemeinsam haben wir deshalb „Führen in Tandems“ in der Fundraising-Abteilung pilotiert. Inzwischen ist das ein Modell, das alle Führungskräfte in Anspruch nehmen können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So kann man z.B. auch in Teilzeit führen, und die Teams vergrößern, ohne gleich die ganze Struktur anpassen zu müssen. Aus der Not heraus entstanden, sind wir dadurch auch eine attraktivere, inklusivere Arbeitgeberin geworden.

Welche „großen“ Entwicklungen sehen Sie im Spenden wesen in den kommenden Jahren auf NPOs zukommen?

Im IFLF setzen wir uns bereits seit einiger Zeit mit den Megatrends unserer Zeit auseinander, um daraus Risiken, Chancen und Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. Dazu gehört mit Sicherheit die weiter zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaften, sowie auch ganz praktische Herausforderungen wie die globale Lebenshaltungskostenkrise, „Krisenmüdigkeit“ und Überforderung, technologische Entwicklung wie z.B. künstliche Intelligenz und auch die Zukunft der (Selbst-)Führung angesichts dieser großen Themen. All diese Herausforderungen sind auch Chancen – wenn wir sie gemeinsam angehen!